Fängt die Bibel nicht wunderbar klar an? Eins, zwei, drei — klarer geht es kaum. Da weiß man doch gleich, wo man dran ist. Eine Woche und alles ist fertig. Und Gott schaut sich alles an und findet es sehr gut.
Also kann ER sich jetzt ausruhen. Kapitel 1 und der Anfang von Kapitel 2. Sieben klar begrenzte Abschnitte, kurz und übersichtlich, wie für ein Lehrbuch geschrieben.
Und dann kommt eine neue Überschrift: „Stammbaum von Himmel und Erde“. Das wird noch manchmal in der Torah auftauchen: „Stammbaum von … “. Und damit fängt jedesmal eine neue Epoche an.
Und nun ist alles überhaupt nicht mehr so klar. Bis dahin handelte Gott souverän und jetzt heißt es, dass noch keine Gewächse auf dem Feld waren, weil Gott es noch nicht hatte regnen lassen *und* weil kein Mensch da war, um das Land zu bebauen.
Die ganze, nun folgende Geschichte hat etwas Märchenhaftes an sich. Das sieht ganz und gar nicht aus nach der Arbeit einer Woche und fertig. Und vor allem: Hier ist der Handelnde nicht mehr Gott allein, sondern ER gibt dem Menschen Aufgaben und Anweisungen.
Hier ist Beziehung wichtiger als Ereignisse, wichtiger als Dinge und Wesen, die dabei entstehen. Und diese Beziehung schenkt Gott dem Menschen noch ausdrücklich in der Zweigeschlechtlichkeit als Mann und „Männin“ — das Hebräische setzt die beiden gleichwertig nebeneinander: isch und ischah.
Wir dürfen also nicht stehen bleiben bei dem systematischen Ablauf der ersten Tage. Die Schöpfung ist vielschichtiger! Es geht nicht allein um Fakten, sondern um Beziehung und Gegenüber. Von der ersten Seite an stellt die Bibel uns in die Spannung zwischen dem, was naturwissenschaftlich erforscht werden kann, und dem, was nur in gelebter Beziehung erfahrbar ist.