Gnade und Barmherzigkeit

Exodus 33,19 „Und er sprach: Ich will vor deinem Angesicht alle meine Güte vorüberziehen lassen und will den Namen des HERRN vor dir ausrufen; und wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich;“

Das klingt im ersten Moment recht willkürlich: „Was willst du, Mensch, Gott gegenüber?“

Ja, recht so! Was ist schon ein Mensch vor Gottes Augen? Wir habe doch noch immer keine Ahnung von der Größe Gottes. Der ganze Kosmos, dessen Größe wir zwar irgendwie vermessen können, der sich uns dennoch so entzieht, der ist in Gottes Hand, oder in Gott, was wissen wir schon? Von den Größenverhältnissen her ist der Mensch nur wie ein Atom im Gebirge.

Güte Gottes?

Allein die Tatsache, dass sich ein Mensch wohlfühlen kann, ist ein Geschenk dieser Güte. Dass wir Bewusstsein haben ebenso. Dass wir eine Zeit hier auf Erden leben und uns freuen können, ist Geschenk und Gnade.

Wenn es danach aus wäre, wer dürfte darüber klagen? Und wenn es Gott gefällt, dass jemand ewig leben dürfte, wer könnte sich beklagen oder einen Einwand äußern?

Nun aber sagt Gott zu, dass Er sich jemandes erbarmen und ihm gnädig sein wolle.

Was könnte daran falsch sein?

Für uns, in unserem Misstrauen gegen Gott, klingt hier Willkür mit auf. Er macht das eben, wie Ihm lustig ist. NEIN! Gott sagt vorneweg, wie zu unserer Warnung: Ich lasse meine Güte vor deinen Augen vorüberziehen! GÜTE, nicht Willkür.

Wo immer Gott den guten Samen wahrnimmt, da sorgt Er dafür, dass derselbe wächst und fruchtbar wird.

Und warum hasst Gott Esau (Maleachi 1,2)? – Nicht, weil Gott ihn nicht mag, sondern weil in Esau keine Frucht veranlagt war.

Gerade der Satz: Maleachi 1,3 „Ist nicht Esau Jakobs Bruder? spricht der HERR. Dennoch habe ich Jakob geliebt, Esau aber habe ich gehasst …“ weist mich darauf hin, dass Gott das Wesen der Geschöpfe nicht von vornherein festlegt, sondern Raum zur Entfaltung und Entwicklung gibt. Würde Gott einen Esau so hassenswert geplant haben, worin bestünde dann Seine Güte?


Hat Paulus in Römer 9,17 die Schrift richtig wiedergegeben, wenn er schreibt, dass Gott Pharao dazu „erweckt“ habe, damit an ihm Seine Macht erzeigt würde? Oder bedeutet der hebräische Text in Exodus 9,16, dass Gott den Pharao deshalb nicht viel früher vernichtet habe, damit Gottes Macht deutlicher erkennbar würde?

Das hebräische Wort in Exodus 9,16 הֶעֱמַדְתִּ֔יךָ kann sowohl ’stehen machen‘ als auch ’stehen lassen‘ bedeuten, also veranlassen oder zulassen. Paulus wählte die eine Deutung, ich würde die zweite bevorzugen. Wer hat unter Gottes Güte Recht?

Oder welche Rolle spielt hier die Wiedergabe im Griechischen Neuen Testament?

Letzte Änderung: 29. Juli 2022