Die 2¢ jener Witwe

Es ist schon allerhand, wie Jesus sich an den Opferstock setzt und aufpasst, wieviel jeder Einzelne hineinwirft! — Sowas macht man doch nicht. — Aber Er tut es.

Zwei Lepta war das Mindeste, was man einlegen durfte, also zweimal die allerkleinste Münze, die es damals gab. Heute wären das gerade 2¢. Eigentlich eine sinnvolle Vorschrift, um zu verhindern, dass einer nur gerade das Kleinstmögliche gab. Aber die Vorschrift hat sich selbst entleert. Denn nun sind eben 2 Lepta die kleinstmögliche Münze, auch wenn man sie noch halbieren könnte. Freiwillig wären erst 3 Lepta in Ordnung.

Aber darum geht es Jesus offensichtlich nicht. Er sieht diese Münzen und den leeren Geldbeutel der Frau. Wie heißt es doch bei der Wahl Davids: „Der Mensch sieht mit den äußeren Augen, Gott sieht ins Herz.“ Gott sieht den Preis der zwei Lepta, der viel höher lag als die großen Beträge der Reichen. Hier ging es nicht ums Geld, sondern ums Leben. Den äußeren Tempel konnten die Reichen bauen und erhalten, den inneren baute die Witwe und ihresgleichen.

Und nun steht dieser Text (Markus 12,41-44) als Predigttext unter dem Wochenthema „Früchte des Geistes“ und dem Wochenspruch „Lebt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.“ (Epheser 5,8b-9) Das ist neu, früher wurde über diesen Text am Sonntag Okuli zum Thema Nachfolge gepredigt.

Freiwillig ist die Frucht des Lichtes. Freiwillig legten die Reichen einen geringen Prozentsatz ihres Besitzes ein. Für die Witwe bestand die Wahl nur aus zwei Extremen: Alles oder nichts!

Was ist leichter? Die Frage nach der genauen Höhe des Prozentsatzes zu beantworten, oder die Entscheidung über das ganze Leben zu treffen? Die Zeitdauer des Überlegens mag bei beiden gleich sein, aber die Auswirkung könnte nicht verschiedener sein. Denn der Reiche hat wahrscheinlich die Auswirkung auf sein Leben schon in aller Stille vorher getroffen: Richtig wehtun sollte das Opfer schon nicht!

Die Witwe musste sich entscheiden zwischen dem Schmerz, dass ihr Leben in Gefahr war, und dem Schmerz des schlechten Gewissens, Gott nichts gegeben zu haben.

Aber wahrscheinlich spielt die Zeitdauer der Entscheidung für uns keine Rolle, weil allein das Ergebnis zählt.

Und darum wirft dieser Text ein ganz eigenes Licht auf das Wochenthema. Früchte des Geistes werden mit dem verborgenen Maßstab gemessen. Und der innere Tempel ist der, der letztlich zählt. In der Registrierkasse werden die Münzen gezählt, aber nicht der Wert erfasst.

Unter Gottes Augen steht jeder für sich allein. Und Er selbst ist es, der den Tempel baut. Mit den kleinen Münzen von ganz großem Wert.

Letzte Änderung: 6. August 2022