Mindestens zwei Meter sind gefordert, einander nicht zu nahe kommen!
Was für die Virus-Infektion gelten mag, solange es keine Therapie oder Schutz dagegen gibt, kann für das Zusammenleben in der Gemeinschaft tödlich sein.
Einander nicht zu nahe kommen, heißt nämlich auch, dass keine Gemeinschaft entstehen kann. Wir sind zur Beziehung geschaffen! Beziehung aber bedeutet Nähe. Abstand vereinsamt.
Nähe zulassen
Das ist und bleibt gefährlich, weil der Andere eben anders ist.
Ich erinnere mich an die Hochzeit meiner Schwester, zu der mein Vater Tischkärtchen gemacht hatte. Es waren jeweils Kreise, die in der Mitte durchgeschnitten waren, je eine Hälfte für Mann und Frau. Bei ganz jungen Paaren hatte der Schnitt viele Zacken und Kurven, bei den älteren Ehepaaren hatte mein Vater nur noch sanfte Wellenlinien geschnitten. Das sah einleuchtend aus. Heute, über 50 Jahre später, sehe ich das anders.
Junge Paare stammen aus ganz verschiedenen Kreisen, ihre Schnittlinie passt noch gar nicht zusammen. Und in manchen Bereichen ist ihre Persönlichkeit noch wenig entfaltet, also eher flach und langweilig.
Ältere Paare mit glatt geschliffenen Verbindungsstellen, also wirklich geometrische Halbkreise, wirken auf mich langweilig und unecht. Wo wäre da noch Dynamik?
Wirken nicht viele Paare eher so, als würden sie halt Abstand wahren, um sich nicht so viel zu reiben? Ist nicht von daher die Entwicklung zu verstehen, dass viele Ehen geschieden werden, also auf völligen Abstand gehen?
Nein, da muss es etwas Lebendigeres geben! Zweierschaft in gesunder Auseinandersetzung, bei der sie sich nicht zur Formlosigkeit abschleifen, sondern gemeinsam etwas Spannendes bilden, das fest zusammenhält.
Der Prozess des Abschleifens, den mein Vater in den Tischkärtchen andeutete, geschieht bei gewagter und zugelassener Nähe. Er soll dazu führen, dass zwei Menschen sich immer besser ergänzen. Aber es wäre schade, wenn dadurch die Persönlichkeit abgeschliffen würde.
So gesund der gegenwärtige Abstand für die Gesellschaft, der Viren wegen, auch sein mag:
Lasst uns nie vergessen, dass wir Begegnung und Auseinandersetzung brauchen, im Kleinen wie im Großen.
Letzte Änderung: 1. Mai 2020