eingeschlossen in die ἀπείθεια
Ich ahne etwas in dieser Aussage, das ich nur zögernd in Worte zu fassen suchen kann.
Gott hat alle Menschen gleichermaßen in eine Situation eingschlossen, die im Griechischen mit ἀπείθεια beschrieben wird. Unglaube oder Ungehorsam ist die übliche und verbreitete Übersetzung. Aber ich frage – ja, ich frage sehr menschlich: Was hat Gott davon wenn wir nicht glauben und nicht gehorchen?
Macht es Ihm mehr Freude, oder bedeutet es für Ihn Genugtuung, wenn wir nicht gehorchen, nicht glauben, und Er uns dauernd nur alles vergeben muss? Wozu hat Er dann am Sinai die Gebote gegeben und wollte das Volk nach dem Fall mit dem Goldenen Kalb total auslöschen?
Nun hat aber das Grundwort in ἀπείθεια – das Verb πείθω als erste Bedeutung, jemand durch Argumente zu überzeugen, aber auch jemand zu etwas überreden. In der Verneinung kann also die Weigerung liegen, eine Überzeugung einfach zu übernehmen.
Könnte aber nicht auch darin liegen, dass Gott beschlossen hat, uns nicht zu überreden, uns nicht mit Worten zu überzeugen, sondern unsere gegenseitige Beziehung auf die Grundlage Seiner Einfühlung und Seines Mitgefühls abzustellen.
Ein verwandtes Thema ist unsere Vorstellung von
Die Erbsünde
Ich kann aus der Torah keinen Hinweis entnehmen, dass Gott die Sünde eines Einzelnen ohne Ausnahme auf all Seine Nachkommen fortpflanzen würde. Er hat immer wieder Völker, ja fast die ganze Menchheit ausgerottet oder der Vernichtung bestimmt, damit sich die Sünde in dem betreffenden Volk nicht fortsetze. Er hat Kain aufgefordert, über die Sünde zu herrschen, also muss der auch die Fähigkeit dazu besessen haben.
Gott hat am Anfang der zehn Worte deutlich gemacht, dass Er Liebe und Glauben bis ins tausendste und letzte Glied heimsuchen wolle, aber die Sünde nur über 3-4 Generationen. Das deutet für mich eine so total andere Herzenshaltung Gottes uns Menschen gegenüber an, als die Vorstellung, dass Adams Sünde alle Nachkommen von Gott trennen würde.
Ich kann das noch nicht allzu weit ausführen, doch vermute ich, je länger desto mehr, dass Paulus hier aus mir noch unerkenntlichem Grund in den Lobpreis von Römer 11,33 ausbricht: „O welch eine Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unergründlich sind seine Gerichte und unausforschlich seine Wege!“ – Ich ahne, dass Paulus hier etwas Tieferes entdeckt hat, als das, was ich bisher darunter verstand, und das so sehr jeder Weisheit und Gerechtigkeit Hohn zu sprechen scheint. Darin lag für mich so etwas Willkürliches und Egoistisches – ach die Worte dafür sind zu irdisch!
Ein positiver Ansatz zum Siegen
Welche Liebe hat daran Gefallen, dass der Geliebte sich andauernd schmutzig macht, nur um die Freude zu haben, ihn danach reinigen zu können. Es muss – um Gottes willen! – etwas Positives und überaus Edles in diesem Weg liegen, sonst würde Gott diesen Weg nicht beschreiten. Die Tatsache, dass wir uns massiv beschmutzen können, und Gott das zulässt, muss zutiefst der Liebe selbst dienen.
Sicher ist ein Teil davon die Möglichkeit, durch das dauernde Schuldigwerden und Vergebung Erlangen zu lebendiger Reue und inniger Liebe entfacht zu werden. Aber auch da liegt der Schatten auf dem dunklen Weg der Sünde.
Es mag wohl in Römer 6,1 „Was wollen wir nun sagen? Sollen wir in der Sünde verharren, damit das Maß der Gnade voll werde?“ ein Ansatz zur Antwort liegen: Nicht die Sünde ist Gottes Absicht, auch nicht das, was Er damit tun will, sondern die Situation, in die Er uns stellt hat einen Sinn in sich!
In der Situation, die Gott uns verordnet hat, liegt eine Möglichkeit, Ihn zu lieben inmitten von unzähligen Versuchungen zum Abfall. – Stimmt das, dann wäre unsere Bestimmung nicht die absolute Passivität, die alles allein Gott überlassen muss, sondern vielmehr eine höchste Aktivität in der Gemeinschaft mit Ihm, die Sünde zu meiden und selbst die tötliche Verderbtheit aus ererbten Anlagen mit Ihm zu überwinden.
Letzte Änderung: 13. Juni 2023