Loslassen

Loslassen, Vater, ist so schwer
als ging etwas verloren.
Die ganze Welt – gehört sie mir?
bin ich nicht ihr geboren?

Ich sehe mich als Mittelpunkt,
das ist dem Denken eigen,
dass es sich selbst als Zentrum denkt,
um das die Sterne reigen.

Du aber tust die Augen auf
mir, der ich weiterdenke,
und siehe da es fällt mir auf:
Du bist der Weltenlenker!

Ich rücke aus der Mitte weg,
wie auf ein Nebengleise,
die Welt kommt ohne mich zurecht
– mein Herz bekennt es leise.

Doch wie das wehtut allem Sein!
Ich stehe nicht inmitten?
Wo bin ich dann? Wo ist mein Heim?
Was ist denn meine Mitte?

Haltlos wie Sterne in der Nacht,
schwebt ich durch Raum und Zeiten,
wenn nicht – kein Mensch hat es erdacht! –
Dein Hand mich würde leiten.

Ich bin von tausenden Millionen
nur ein Geschöpf und weiß von Dir;
Du würdest gern in allen wohnen,
doch nur so wenig glauben Dir.

Wer Dich nicht sieht, irrt Mitte–los
durch seines Lebens Wirren,
oder ist selbst sich Mitte bloß –
welch trostloses Verirren!

Doch ist der Schritt vom eignen Ich
zu Dir hin, Du die Mitte,
so schmerzhaft schwer, ich bitte Dich,
hilf mir, bis das durchlitten.

Ich will mich lösen von der Welt,
von allem was ich halte,
und doch mein Dienst auch allem gilt,
wenn nur Dein Geist es walte.

Bist Du die Mitte mir allein,
bist Du sie allen Wesen,
dann kann in Dir geborgen sein
mein Seel in allen Schmerzen.

17.11.2007

Letzte Änderung: 9. Oktober 2022